Anatomia: Song meines Lebens

Anatomia: Alanis Morissette - "Ironic"

Als ich 16 Jahre alt war, war ziemlich viel unterwegs und ich ließ nie eine Gelegenheit aus auf eine Party, ein Fest oder einen Ball zu gehen. Ich musste immer überall live dabei sein. Fast schon eine notorische Zwangsstörung. Eines Tages - es war kurz vor den Sommerferien - fuhr ich mit dem Fahrrad in ein Restaurant einer amerikanischen Fast-Food-Kette um wieder mal etwas ordentlich Fettiges zu mir zu nehmen. Da es von meinen Eltern aus
nur zwei Minuten mit dem Fahrrad sind, nahm ich diese kleine Strecke gerne auf mich. Im Restaurant selbst traf ich - wie fast immer - zwei mir bekannte Personen. Rein zufällig. Sie gingen in meine Parallelklasse. Sofort erzählten sie mir, dass sie im Nachbarort, der ca. 5 km entfernt ist, eine "Schottergrubenparty" machten. In dem Ort gab es nämlich eine Schotter- und
Kiesfirma. Und abends schlichen sie sich rein und machten dort auf dem Gelände eine kleine Feier. Als sie mir erzählt haben, dass sehr viele Leute kommen werden, die ich ebenfalls kenne, konnte ich nicht Nein sagen. So schwangen wir uns zu dritt auf unsere Fahrräder und fuhren los. Es fing schon an zu dämmern, doch in diesem Augenblick dachte ich noch gar nicht darüber nach, dass ich später alleine im Dunkeln heimfahren musste.

Nach ausgiebigem Feiern und viel Spaß in der Schottergrube beschloss ich wieder nach Hause zu cruisen, denn am nächsten Tag war ja Schule. Es war ca. 1 Uhr Früh und ziemlich dunkel. Ich begann mich total zu fürchten, denn ich vergaß ganz, dass ich an einer Nervenheilanstalt vorbeifahren musste, aus
der öfters mal Leute ausbrachen. Außerdem verlief der ganze Weg durch einen Wald, was mir noch mehr Unbehagen bereitete. Ich hatte ja nicht einmal ein Licht auf meinem Mountainbike. Ich wusste genau: wenn ich durch den Wald fahre, dann wird mich jedes Geräusch wahnsinnig machen. Ich werde vor Angst
sterben! Das erzählte ich der Gastgeberin und sie gab mir ihren DiscMan mit einer x-beliebigen CD und sagte: "Setz die Kopfhörer auf, dann hörst du den Umgebungslärm bzw. Nicht-Lärm nicht und kannst in Ruhe nach Hause fahren".

Ich bedankte mich und fuhr los. Mit Kopfhörern im Ohr fuhr es sich nicht wirklich leichter. Die Wahrheit ist, dass ich schon nach einigen Metern schweißgebadet war und um mein Leben radelte. Im DiscMan lief andauernd "Ironic" von Alanis Morissette und jedes mal wenn der Refrain kam "It's like raiaaaaaiiin on your wedding day....", radelte ich noch schneller und der Rhythmus kam mir vor wie Peitschenhiebe, die mich daran erinnerten um mein
Leben zu strampeln. Zuhause angekommen legte ich den DiscMan ab und war einfach nur froh, dass mir dieses Lied zumindest ein bisschen diesen wirklich furchtbaren Weg erleichtert hatte.

Und jedes mal,wenn ich ihn höre, muss ich an eben genau diese Situation denken.

Song meines Lebens von Alltagsanatomie
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Zuletzt am: 22. Aug, 20:23
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