Blogistin: Song meines Lebens
Roland Kaiser - "Santa Maria"
Wo und wann? An einem Sonntag im Mai in der Küche.
Heilige Maria: Ein Trauma
Ich liebe diesen Mann! Liebe seine Hände, seine Augen, seine Nase, seine Lippen, seine Ohren, seine Arme, seine Beine, seine Füße, seinen Bauch, liebe seine Behaarung, im Gesicht, am Körper, auf dem Kopf. Liebe seinen Geruch, liebe seine Gedanken, die die er ausspricht und jene, die er für sich behält und die er doch nicht verbergen kann, weil er bei schönen, leichten Gedanken dieses Lächeln um die Lippen trägt, das ich so sehr liebe, weil er bei düsteren, schweren Gedanken so Furcht erregend grimmig und übellaunig sein Gesicht mitsamt aller Muskeln verkrampft, so sehr, dass ich jenen Gesichtsausdruck immer als Direktangriff inklusive voller Schuldzuweisung empfinde, ja, auch diese Gedanken liebe ich.
Liebe die Wortspiele, mit denen er immerundüberall, gefragt, ungefragt, allesundjeden zu unterhalten oder auch aufzuhalten pflegt. Liebe die Musik, die er hört und liebe ihn dafür, dass er bislang noch vor keiner meiner noch so schrägen Platten und seltsamen Konzertwünsche davon gelaufen ist. Liebe die Art wie er mich ansieht, und werde wild durch die Art, wie er mich nicht ansieht, wild vor Liebe. Liebe, wie er mich fest hält, hält, greift, begreift, rührt, berührt. Liebe seine Schultern, an die ich mich anlehnen kann, wenn ich mich infolge des Starke-Frau-schafft-das-Alleine-Syndroms mal wieder verausgabt habe und zurück will in den Kindergarten, mit einem schönen orangefarbenen Täschchen und einem dick beschmierten Leberwurstbrot darin. Liebe ihn vom ersten Augenblick, da ich ihn sah, liebe ihn mit jedem Tag mehr.
Und doch, doch gibt es etwas, das ich nicht liebe an ihm, mehr noch: Es gibt einen Moment, in dem ich ihn nicht liebe, einen Moment, der mich so gefangen nimmt, dass ich stundenlang ohnmächtig ob meiner sich blitzartig in Luft aufgelösten Gefühle bin, nicht fassen kann, dass passiert, was passiert, dass wahr ist, was ich da höre.
Er, 37, hoch gewachsen, muskulös, unrasiert, zerzaustes Haar, steht mit nacktem Oberkörper und Po betonender Pyjama -Hose in der Küche, bereitet Tee zu, unterhält sich mit mir in Einigkeit und Harmonie über die zweifelhafte Daseinsberechtigung von Schlagern und stimmt plötzlich an, mit seiner schönen, dunklen, festen Stimme, die ich so sehr liebe: „Santa Maria, Insel die aus Träumen geboren, ich hab meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt … Um-da-da … Um-da-da …Uhhh-aaaa …“ .
Der Mann, mein Mann klingt wie Roland Kaiser! Fassungslos sehe ich ihn an: Ähnlich sieht er ihm auch noch, Herrn Kaiser, so wie ich ihn aus den frühen 80er Jahren erinnere. Wieso ist mir das nicht früher schon aufgefallen? Sonntagmorgens mit Roland Kaiser in der Küche, das überlebe ich kein zweites Mal. Dachte ich. Drei-, viermal, hat er getan, seit jenem Sonntag. Ich litt jedes Mal, fürchterlich. Und das, das ist kein Scherz. Man stelle sich einfach einen trauten Moment im Bett mit dem geliebten Partner vor - da hat man plötzlich eine dusselige Vision und sieht den unangenehmsten Menschen, den man sich nur vorstellen kann, vor, neben, über, unter sich. Geht dann noch was? Ich bezweifle es. So ein Trauma kann Stunden dauern.
Er, er weiß nichts von meinem Trauma. Ahnt nicht, dass ich in manch zauberhaftem Moment den Blick abwenden muss von ihm, weil ich da plötzlich dieses alte Bild von Roland Kaiser vor mir sehe, so, als würde sein Gesicht zum Gesicht von Roland Kaiser morphen. Nie im Leben käme er darauf, dass es zwanghaft ist, wenn ich ihm den Mund zu halte, manchmal, wenn er plötzlich unvermittelt singt.
Ich vermute, er findet es schlicht amüsant, mit seiner stimmlichen und äußerlichen Ähnlichkeit mit jenem Schlagerbarden zu kokettieren, wenn er „ Um-da-da … Um-da-da …Uhhh-aaaa …“ anstimmt. Ich wage nicht, ihn darauf anzusprechen, weil ich fürchte, er versteht den Ernst der Lage nicht und trällert munter drauf los, sobald ich nur „Santa Ma …“ ausgesprochen habe.
Mein Roland-Kaiser-Trauma ist übrigens weniger auf irgendeine frühkindliche Erfahrung wie beispielsweise „Schlager-Terror wenn Mausi mal wieder in der Pfütze gebadet hat“ zurück zu führen als auf die schlichte Tatsache, dass ich bei dem, was ich als grottenschlechte Musik empfinde, völlig humorlos bin und keinerlei Spaß verstehe. Die Sache ist aussichtslos, das gebe ich gern zu.
Und so wünsche und hoffe und flehe ich, er möge diesen Text lesen, irgendwann, bei einem Eis gekühlten Frankenheim vielleicht, anschließend still und leise die Heilige Maria in der Tabu-Kiste unserer Beziehung begraben und es dann nienienienienie wieder tun.
Bei aller Liebe: Roland Kaiser und ich, das geht nicht. Gar nicht.
Song meines Lebens von Blogistin
Wo und wann? An einem Sonntag im Mai in der Küche.
Heilige Maria: Ein Trauma
Ich liebe diesen Mann! Liebe seine Hände, seine Augen, seine Nase, seine Lippen, seine Ohren, seine Arme, seine Beine, seine Füße, seinen Bauch, liebe seine Behaarung, im Gesicht, am Körper, auf dem Kopf. Liebe seinen Geruch, liebe seine Gedanken, die die er ausspricht und jene, die er für sich behält und die er doch nicht verbergen kann, weil er bei schönen, leichten Gedanken dieses Lächeln um die Lippen trägt, das ich so sehr liebe, weil er bei düsteren, schweren Gedanken so Furcht erregend grimmig und übellaunig sein Gesicht mitsamt aller Muskeln verkrampft, so sehr, dass ich jenen Gesichtsausdruck immer als Direktangriff inklusive voller Schuldzuweisung empfinde, ja, auch diese Gedanken liebe ich.
Liebe die Wortspiele, mit denen er immerundüberall, gefragt, ungefragt, allesundjeden zu unterhalten oder auch aufzuhalten pflegt. Liebe die Musik, die er hört und liebe ihn dafür, dass er bislang noch vor keiner meiner noch so schrägen Platten und seltsamen Konzertwünsche davon gelaufen ist. Liebe die Art wie er mich ansieht, und werde wild durch die Art, wie er mich nicht ansieht, wild vor Liebe. Liebe, wie er mich fest hält, hält, greift, begreift, rührt, berührt. Liebe seine Schultern, an die ich mich anlehnen kann, wenn ich mich infolge des Starke-Frau-schafft-das-Alleine-Syndroms mal wieder verausgabt habe und zurück will in den Kindergarten, mit einem schönen orangefarbenen Täschchen und einem dick beschmierten Leberwurstbrot darin. Liebe ihn vom ersten Augenblick, da ich ihn sah, liebe ihn mit jedem Tag mehr.
Und doch, doch gibt es etwas, das ich nicht liebe an ihm, mehr noch: Es gibt einen Moment, in dem ich ihn nicht liebe, einen Moment, der mich so gefangen nimmt, dass ich stundenlang ohnmächtig ob meiner sich blitzartig in Luft aufgelösten Gefühle bin, nicht fassen kann, dass passiert, was passiert, dass wahr ist, was ich da höre.
Er, 37, hoch gewachsen, muskulös, unrasiert, zerzaustes Haar, steht mit nacktem Oberkörper und Po betonender Pyjama -Hose in der Küche, bereitet Tee zu, unterhält sich mit mir in Einigkeit und Harmonie über die zweifelhafte Daseinsberechtigung von Schlagern und stimmt plötzlich an, mit seiner schönen, dunklen, festen Stimme, die ich so sehr liebe: „Santa Maria, Insel die aus Träumen geboren, ich hab meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt … Um-da-da … Um-da-da …Uhhh-aaaa …“ .
Der Mann, mein Mann klingt wie Roland Kaiser! Fassungslos sehe ich ihn an: Ähnlich sieht er ihm auch noch, Herrn Kaiser, so wie ich ihn aus den frühen 80er Jahren erinnere. Wieso ist mir das nicht früher schon aufgefallen? Sonntagmorgens mit Roland Kaiser in der Küche, das überlebe ich kein zweites Mal. Dachte ich. Drei-, viermal, hat er getan, seit jenem Sonntag. Ich litt jedes Mal, fürchterlich. Und das, das ist kein Scherz. Man stelle sich einfach einen trauten Moment im Bett mit dem geliebten Partner vor - da hat man plötzlich eine dusselige Vision und sieht den unangenehmsten Menschen, den man sich nur vorstellen kann, vor, neben, über, unter sich. Geht dann noch was? Ich bezweifle es. So ein Trauma kann Stunden dauern.
Er, er weiß nichts von meinem Trauma. Ahnt nicht, dass ich in manch zauberhaftem Moment den Blick abwenden muss von ihm, weil ich da plötzlich dieses alte Bild von Roland Kaiser vor mir sehe, so, als würde sein Gesicht zum Gesicht von Roland Kaiser morphen. Nie im Leben käme er darauf, dass es zwanghaft ist, wenn ich ihm den Mund zu halte, manchmal, wenn er plötzlich unvermittelt singt.
Ich vermute, er findet es schlicht amüsant, mit seiner stimmlichen und äußerlichen Ähnlichkeit mit jenem Schlagerbarden zu kokettieren, wenn er „ Um-da-da … Um-da-da …Uhhh-aaaa …“ anstimmt. Ich wage nicht, ihn darauf anzusprechen, weil ich fürchte, er versteht den Ernst der Lage nicht und trällert munter drauf los, sobald ich nur „Santa Ma …“ ausgesprochen habe.
Mein Roland-Kaiser-Trauma ist übrigens weniger auf irgendeine frühkindliche Erfahrung wie beispielsweise „Schlager-Terror wenn Mausi mal wieder in der Pfütze gebadet hat“ zurück zu führen als auf die schlichte Tatsache, dass ich bei dem, was ich als grottenschlechte Musik empfinde, völlig humorlos bin und keinerlei Spaß verstehe. Die Sache ist aussichtslos, das gebe ich gern zu.
Und so wünsche und hoffe und flehe ich, er möge diesen Text lesen, irgendwann, bei einem Eis gekühlten Frankenheim vielleicht, anschließend still und leise die Heilige Maria in der Tabu-Kiste unserer Beziehung begraben und es dann nienienienienie wieder tun.
Bei aller Liebe: Roland Kaiser und ich, das geht nicht. Gar nicht.
Song meines Lebens von Blogistin
bateman - Sonntag, 26. März 2006, 00:09 - Song meines Lebens (2633)
geniale geschichte
er darf es nie erfahren
ich mag deine art zu schreiben als deinen art deine emotionen auszudrücken
montalcino