Die beste Zeit

Es gibt offene Fragen und es gibt geschlossene Fragen. Es gibt rethorische Fragen und es gibt Fragen, auf die jede Antwort falsch ist. Dann gibt es wiederum Fragen, deren Antwort mir schwer fällt und Fragen, die ich schnell und einfach beantworten kann, wie die nach der besten Zeit meines Lebens. Diese fing exakt im April 1994 an, der Beginn meines Studiums.

Diese Zeit war definitiv die schönste und möchte ich nicht missen. Es war die Epoche der freien Zeit und der freien Liebe. Damals gab es noch keinen Bachelor und Master, die einen in ein enges Korsett von Vorlesungen schnürrte. Damals gab es noch das Diplom als Abschluss und man konnte sein Vorlesungsplan so gestalten, wie man wollte, die Vorlesung kreuz und quer besuchen und Prüfungen schreiben, wie einem danach war, egal ob sie zum Haupt- oder Grundstudium zählten. An Studiengebühren dachte damals noch niemand und als dieses Thema kurz aufkam, gab es eine große Demo in Düsseldorf und es war wieder schnell vom Tisch. Die meiste Zeit verbrachte man in der Cafeté und lerne täglich neue Leute kennen. Vorlesungen wurden nur sporadisch und zum Semesterende besucht, relevante Prüfungsunterlagen besorgte man sich von den Kommilitonen und veranstaltete anschließend große Kopiersessions. Ein paar Wochen vor den jeweiligen Prüfungen wurde man dann doch noch strebsam und verschanzte sich mit den Unterlagen in die Bib. Lieber viele lange, als eine kurze Pause hieß es dann während dieser Lernphase. O.K, gelegentlich saß man auch dann bis um ein Uhr nachts in der Bib, es war aber ein vorhersehbarer Zeitraum. Es machte auch irgendwie Spaß in der Bib zu sitzen und zu lernen. Das Tippeln von Frauenschritten in den Gängen ließ einen im Minutentakt aufschauen und vom Lernstoff ablenken und nach einigen Tagen konnte man ohne aufsehen anhand des tippelns erahnen, um welche Frau es sich handelte. Vorher und nachher gab es die 5-Tage-Woche: Parties, Disco und WG-Sit-Ins. Das typische Wochenendgefühl und die Vorfreude darauf war noch unbekannt.

Das Studium ist das einzig gesellschaftlich anerkannte und legitimierte "Nichtstun". Zwar bewegte sich dieses Leben immer am Rande des Dispos, aber für einen Urlaub und zahlreiche Kurztrips reichte es dennoch. Akute Geldknappheit war auch nicht so schlimm, schließlich bewegte man sich in den Kreisen seinesgleichen.

Ich blicke gerne auf diese Zeit zurück. Schade, dass es "Student" nicht als Beruf gibt, ich würde ihn sofort und ohne zögern ergreifen.
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Markus (Gast) - 21. Jan, 09:47

Also die Studienzeit ist wirklich die schönste Zeit im Leben gewesen, zumal früher, als es die ganzen Studiengebühren usw. noch nicht gab. Wenn mal rauskommen sollte, dass es doch noch zum Beruf wird, dann wäre ich auch sofort dabei, diesen auszuüben. Das ist doch mal ein richtig guter Job ;)

novesia (Gast) - 21. Jan, 10:12

Ohja, das war ne tolle Zeit damals.
Aber ewig wollte ich das nicht. Dann krieg ich ja nie meine Yacht und das Privatflugzeug.

timanfaya - 22. Jan, 10:04

da ist - wie so oft bei rückblicken - auch immer 'ne menge verklärtheit dabei. ich hatte zwar ein super studium, aber dafür auch nie wirklich frei. sowas wie wochenende gab es irgendwie nicht. das war der preis für die freiheit der tage.

im rückblick war bei mir die schulzeit die schönste zeit. keine verpflichtungen [das bisschen lernen ...*pffft*]. relativ streßfreie dreijährige dauerfeier mit einem glanzvollen endpunkt. feiern, blödsinn machen, rumvögeln, surfen - und sonst nichts.

aber: ich möchte beides nicht mehr haben. so gut wie heute ging es mir noch nie.

7an - 23. Jan, 15:52

wie kommst du darauf, dass man sich nur als student im dispo bewegt? die zeiten als die mark noch was wert war und gehälter ansehnlich sind lange vorbei.

ps: deine version einer 5-tage-woche gefällt mir.

bateman - 24. Jan, 16:26

Nicht nur, aber während des Studentenleben besonders ausgepägt. Ich ich neige ja nie zu Pauschalisierungen.
Uschi (Gast) - 30. Jan, 19:33

Ich möchte ja jetzt nichts sagen, aber es das geht jetzt nicht mehr. Also es mag schon sein, dass zu ihren Zeiten und auch zu meinen Zeiten das Studieren an sich ganz einfach war. Aber in der heutigen Zeit muss man sich da ganz schön ranhalten. Es gibt ein Punktesystem dass einen dazu zwingt fast jede Vorlesung zu besuchen, denn erreicht man die Punkte nicht, so wird man nicht zur Klausur zugelassen. Man muss bestimmte Termine einhalten und man muss auch inzwischen sehr viel mehr lernen als früher. Teilweise sind die Vorlesungen sogar Samstag und Sonntagabend. Naja ich weiß nicht, ob ich da noch mal Student sein möchte.

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