Feine Hotelzimmer und nette Nachtportiers

Der Maydance war öde und langweilig. Hätten wir vorher gewusst, was uns dort erwartet, hätten wir nicht den Weg von Bielefeld nach Düsseldorf gemacht. Lediglich erhielten wir erneut die Bestätigung, dass die Landeshauptstadt von NRW größer als Bielefeld, aber provinziell ist. Doch zunächst der Reihe nach.

Es liegt mittlerweile einige Jahre zurück, als uns ein guter Freund zur Ersten-Mai-Party nach D’dorf einlud. Wir erlagen dem Lockruf und stiegen mit großer Vor(Freude) in den Westfalen-Express. Ich weiß gar nicht mehr genau, wo die Party damals stattfand, denn eine Party fand nicht statt. Es war irgendwo eine angemietete Kneipe, die sich während des Abends nicht füllen wollte und somit auch keine Feierlaune aufkam. Trotz aller Treueschwüre des Gastgebers, dass noch eine Menge Gäste zu erwarten sei, machten wir uns auf den Weg zur nächsten Party. Dort war zwar etwas mehr los, aber jedoch auch kein Bringer. Die einzige Alternative die sich uns stellte, war ein Zug durch die Altstadt. Ich war schon einige Mal dort und muss zugeben, es laufen dort eine Menge Leute rum, ist aber wirklich nichts besonderes, eher eine Anhäufung von vielen gleich langweiligen Kneipen. Es mag so gegen 3 Uhr nachts gewesen sein, als wir beschlossen, mit dem Regionalexpress die Heimreise anzutreten. Leider fuhr der nächste Zug erst gegen 7 Uhr. Was also tun, um die Zeit bis dahin zu überbrücken? Unmittelbar am Bahnhof ist ein IBIS-Hotel, in dem wir an der Bar uns noch ein paar Getränke reindrücken wollten. Doch mit der Bar war Fehlanzeige.

Bahnhofsviertel wären keine Bahnhofsviertel, wenn nicht zu nächtlicher Stunde noch irgend eine Kneipe geöffnet haben sollte. Erneute Fehlanzeige. Nun standen wir mit 7 Leuten vor dem IBIS-Hotel, als eine Gruppe junger Mädchen an uns vorbei schnurstracks ins Hotel und zur Rezeption ging. Einfach nur kurz ausruhen dachten wir uns und folgen den Mädchen in die Hotellobby. „Zimmer 321, Zimmer 319, Zimmer 324“ riefen die Mädchen dem Nachtportier zu. Geistesgegenwärtig forderte Arno den Schlüssel für Zimmer 320. „Tut mir leid, der Schlüssel ist nicht da“ kam die Antwort. Keineswegs verlegen antwortete Arno: „Klar, unser Kollege ist auch schon am schlafen, geben Sie uns einfach den Zweitschlüssel“. Ohne irgendwelches Misstrauen gab uns der Nachtwärter den besagten Ersatzschlüssel. Wir setzen uns in Bewegung, doch da die Zimmernummern nicht mit den Etagen identisch sind, brauchten wir etwas Zeit, um Zimmer 320 zu finden. Vorsichtig und leise steckten wir den Schlüssel ins Schloss, sperrten die Tür langsam auf und wagten einen Blick hinein. Es war bewohnt, aber leer. Egal, der Gedanke auf Getränke aus der Minibar zog uns magisch in das Zimmer. Und wieder Fehlanzeige, eine Minibar gab es nicht. Missmutig wollten wir wieder abziehen, als Kaite der Meinung war, wenn wir schon dort sind, können wir es uns im Zimmer auch noch etwas bequem machen. Überall lagen dort Kleidungsstücke, ein japanisches(?) Buch und ein japanischer(?) Ausweis rum. Erst mal Platz auf dem Bett geschaffen und den Fernseher eingeschaltet, da die Wiederholung von ran lief. Irgendwann überkam uns dann doch die Müdigkeit, so dass wir beschlossen, ein Nickerchen zu machen und den Zug am nächsten Morgen zu nehmen. Den Fernseher ausgeschaltet, in dem wir ihn vom Tisch getreten haben und die kleine Nachttischleuchte ebenfalls mit den Füßen ausgeschaltet, begaben wir uns zur wohlverdienten Nachtruhe. So konnten wir mit fünf Leuten, die zwei anderen hatten es sich auf dem Flursofa draußen gemütlich gemacht, den Schlaf der Gerechten genießen. Von der Morgensonne wachgeküsst, verließen wir das Schlachtfeld und begaben uns auf den Weg nach draußen, vorbei an die Ablösung unseres netten Nachtportiers, der uns noch den Weg in den Frühstückssaal weisen wollte. Unser anstandsvoller Respekt bewog uns, dankend abzulehnen und den direkten Weg nach draußen zu suchen.

Vier Fragen beschäftigen mich seit jenem Abend: War das wirklich ein Japaner, der das Zimmer gemietet hat? Was wird er wohl beim Anblick des verwüsteten Zimmers gedacht haben? Hätte er überlebt, wenn er uns nachts im Zimmer überrascht hätte? Durfte der Nachtportier dort weiter seinen Job ausüben?
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harvey - 3. Apr, 19:44

Und ich hätte beim Lesen drauf gewettet, dass ihr euch auf die Zimmer 319, 321 und 324 verteilt hättet.
Lesen ist eben Abenteuer im Kopf...

bateman - 3. Apr, 22:48

Das IBIS ist zwar ein billiges, aber kein Stundenhotel. Und dann noch mit sieben Leuten und einigen Atü auf dem Kessel !?
harvey - 4. Apr, 11:00

klar ists kein stundenhotel. ich hätte beim lesen nur damit gerechnet, dass ihr zwecks gaude angeklopft und deren minibar eventuell noch dezimiert hättet, aber die geschichte mit dem japaner ist eh besser.
bra-tender (Gast) - 4. Apr, 02:59

frag Dr. Tender!

so, um deine fragen zu beantworten: gehen wir mal bei einem japanischem pass von einem Waschechten Japaner aus, so kann man davon ausgehen, das er überlebt hat, da er euch bestimmt gesehen hat. aber seine japanische höflichkeit hat es ihm verboten, euch zu wecken. ausserdem dürfte er nach eurer abreise den gröbsten müll aufgeräumt haben, und die zeche ohne murren bezahlt haben. Wenn dies alles stimmt, hat der nachtportier auch noch seinen job. und die welt wäre eine bessere, wären wie alle japaner. stimmen erste drei punkte nicht, so wäre alles gleich, und der nachtportier definitiv seinen job los!

der.Grob (Gast) - 4. Apr, 10:27

der japaner stand sicher die ganze zeit unbemerkt in einer ecke des raumes und hat sie beobachtet. ganz schön gruselig, wenn man darüber nachdenkt.

naja. so gruselig nun auch wieder nicht.

aber was ich noch sagen wollte:
jeder weiß doch, dass man zum feiern besser nach köln fährt. und nicht nach düsseldorf.

waschsalon - 4. Apr, 14:52

du sprichst mir aus der seele!!!!!
und der dorfbahnhof ist so ziemlich das fieseste loch, dass ich kenne.
herr bateman, ich bin entsetzt.
timanfaya - 4. Apr, 15:48

an dem dorfbahnhof gibt's bestimmt noch fiesere löcher ...

[meine herren, bin ich heute wieder politisch unkorrekt]
F (Gast) - 4. Apr, 17:58

Tänkchen

Naja, wieso seid ihr nicht einfach zu irgend einer Tankstelle gelatscht, die haben doch meistens 24 h offen und immer Alkohol auf Lager?

Bateman (Gast) - 4. Apr, 18:04

Wir wollten uns in Ruhe irgendwo bequem hinsetzen und mit Stil trinken ;-)
Nomak (Gast) - 5. Apr, 09:40

"Hätte er überlebt, wenn er uns nachts im Zimmer überrascht hätte?"

Ich frage mich, ob ihr überlebt hättet, wenn ein Ninja Einbrecher erwischt hätte...;-)

Mr. France (Gast) - 8. Apr, 13:45

Travel in Europa

Ach komm in Deutschland läuft das in den Hotels noch gesittet ab, in Spanien oder Frankreich hingegen wird einem in Touristengegenden die Bettdecke weggezogen wenn man am Abreisetag zu lange schläft.

BATE|MAG

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Bösartig seit 7270 Tagen
Zuletzt am: 22. Aug, 20:23
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