Song meines Lebens

Sonntag, 26. März 2006

Pikas: Song meines Lebens

Carl Douglas - "Kung-Fu Fighting"

Ich war in der achten Klasse, als ich mir meine Phobie eingehandelt habe. Eine Verkettung von Ereignissen führte dazu, dass sich Georg B. (der ein Jahr ältere Bruder von Doris B.) gezwungen sah, mir ein Trauma zuzufügen.
Doris B. war eine Klasse unter mir – in jeder beliebigen Hinsicht. Was sie für mich interessant machte, waren ihr beeindruckend entwickelter Bluseninhalt und ihre stadtbekannte Freizügigkeit. Dass sie ein kleines bisschen schlicht war, und auf David Cassidy stand, störte mich kein bisschen. Das mag jetzt sexistisch klingen, aber mein Gott, ich war knapp vierzehn. Meine Charmeur-Qualitäten und meinen guten Geschmack habe ich erst später entwickelt. Damals war ich jung, hormongesteuert und neugierig. Sex kannte ich nur aus dem Biologieunterricht und aus der BRAVO. Ich war wie ein Fahrschüler, der meinte, die Kentnisse über die Funktionsweise eines Verbrennungsmotors würden reichen, um sich ans Lenkrad zu setzen. Oder um es konkret zu sagen: Ich wollte mit der Hand in Doris’ Schlüpfer, so wie zwei Drittel der Jungs meiner Jahrgangsstufe vor mir. Nicht mehr und nicht weniger. Heutzutage bin ich ganz anders.
Irgend wann bot sich die Gelegenheit. Wir hatten uns nach der Schule zum Knutschen bei meinem Kumpel Stefan O. in seinem zur Behelfs-Disko umdekorierten Kellerraum getroffen. Außer mir waren da noch Stefans damalige „feste Freundin“ da und ein anderes Pärchen, dessen Namen mir heute ums Verrecken nicht mehr einfallen. Und natürlich Doris, die Stefan in meinem Auftrag unter falschen, das Ambiente betreffenden Versprechungen angelockt hatte. Es war eine jener pubertären Veranstaltungen, wo man seiner Mutter nach dem Essen sagte „Ich geh’ noch zu Demundem Mathe üben“. In seinen Ranzen hatte man vorher die neuesten Platten oder eine frisch aus dem Radio aufgenommene Compact-Cassette gepackt, der Rest war Tarnung.
Stefan hatte am Tag vorher Mal Sondocks Hitparade auf WRD2 mitgeschnitten – es muss also ein Donnerstag gewesen sein. Wir hörten mehrmals „Kung-Fu Fighting von Carl Douglas, spielten „Flaschendrehen“ und dergleichen Petting vorbereitende Spielchen und lagen kurz darauf pärchenweise auf den Matratzen. Nach einer viertel Stunde war ich mit der Hand unter Doris’ T-Shirt. Als ich meine Zunge in ihren Mund schob, viel sie wie eine Bahnschranke. Küssen schien ihr zu gefallen. Aus dem Lautsprecher des Nordmende-Radiorekorders quäkten die Hits der Woche. Fünf Minuten später war ich dort, wo ich hin wollte. Es fühlte sich merkwürdig an, wie Pergament auf einer weichen, schwitzigen Oberfläche, dann plötzlich weich und glitschig - wie in Auflösung begriffen. Mein bisschen Restverstand konnte sich nicht genau erklären, war er vom Tastsinn erfuhr. Mir war das Ganze nicht geheuer. Ihr schien mein Gewurstel in der Bikini-Zone auch nicht übermäßig viel Freude zu bereiten. Ihre Augen waren halb geschlossen, ihre Gesichtszüge angespannt. Aber sie stand eindeutig auf Küssen. Da ging sie ab wie Oma auf Acid. Ich habe mich dann wieder auf ihren Mund und ihre prachtvollen, festen Glocken konzentriert. Dann klopfte Stefans Mutter an die Kellertür, und beendete die Veranstaltung mit den Worten: „Macht die Musik aus! Ihr sollt lernen! Ich häng’ eben noch die Wäsche auf, dann komm’ ich mal rein.“
Was ich nicht eingeplant hatte, war die Möglichkeit, dass sich Doris in mich verliebt. Genau das war aber passiert. Dumm gelaufen. Lässt ständig andere Typen an sich ran, die blöde Schnalle, und ausgerechnet bei mir schlägt der Blitz ein. Vielleicht hätte ich ihr diplomatischer einen Korb geben können. Vielleicht hätte ich den Spruch von „noch nicht reif genug für eine Beziehung“ bringen sollen. Klingt in dem Alter noch glaubwürdig. Ich war vermutlich das erste und letzte Mal zu einer Frau ehrlich und teilte ihr mit, dass mich ihre Art jetzt nicht so übermäßig umhauen würde, und dass ich eigentlich gar keinen Bock auf sie hätte. Damit war der Fall für mich erledigt. Dachte ich.
An dem Punkt kommt Doris’ Bruder Georg ins Spiel. Ebenso wie seine Schwester war auch dieser keine Leuchte. (Böse Zungen behaupteten, dass sowohl Georg als auch Doris unsere Schule nur noch besuchen konnten, weil sich ihr Vater als stadtbekannter Malermeister und Förderer der Wissenschaft gelegentlich nicht lumpen lies, wenn es um Reparaturen und Verschönerungsarbeiten an den Zweckbauten des Schulgeländes ging.) Doch während Doris ihre Defizite durch ihre sexuelle Wahllosigkeit zu kompensieren versuchte, ging ihr Bruder einen anderen Weg. Er verschaffte sich Anerkennung, indem er anderen zu Schmerzerfahrungen verhalf. Er war einer jener grobschlächtigen, brutalen Dreckskerle, die es damals auf jeder Schule gab. Einer mit Bruce-Lee-Postern im Kinderzimmer. Einer, der sich aus Besenstielen und Sanitärketten Martial-Arts-Utensilien bastelte. Einer, der sich selten mit gleichstarken Jungs anlegte, sondern lieber im Kreise seiner Mitläufer (solche Typen haben immer Mitläufer – Faszination des Bösen blablabla) Schwächere quälte oder Mädchen ärgerte.
Die verschmähte Doris hatte nichts Besseres zu tun, als in ihrem heiligen Zorn zu ihrem Bruder zu rennen und ihn zu bitten, wir ein kleines bisschen Gewalt anzutun. Und der tumbe Georg, der sich bis dato einen Scheißdreck um das promiskuitive Verhalten seiner kleinen Schwester geschert hatte, sah plötzlich seine beschissene kleine Familienehre beschmutzt (oder so) und sann auf Vergeltung.
Ich war ihm nicht nur intellektuell überlegen – das war wohl jeder in der Schule, einschließlich Sammy, dem Cockerspaniels vom Hausmeister. Auch körperlich war er mir kaum gewachsen, obwohl er damals einen halben Kopf größer und locker zwanzig Pfund schwerer war als ich. Aber als Handballer war ich einfach besser in Form und beweglicher. Außerdem hatte auch ich einen gewissen Ruf. Er wusste das. Also wartete er, bis er mich in einer für mich nachteiligen Situation fand. In der kleinen Schulpause zwischen der vierten und fünften Stunde. Auf dem Schulklo. Ich mit offener Hose vorm Urinal. Weder hatte ich bemerkt, dass er hinter mir aufgetaucht war, noch wusste ich zu dem Zeitpunkt, dass er mir ans Leder wollte. Es gab Gerüchte, dass Doris schwer sauer auf mich sei, aber dass sie King Kongs Nachgeburt auf mich hetzen würde, lag jenseits meiner Vorstellungskraft. Ich spürte einen Tritt in die Kniekehlen und stürzte schmerzhaft auf die Keramik und von dort aus auf die schmierigen Bodenfliesen. Sofort saß er rittlings auf mir und traktierte mich mit Fäusten. Instinktiv zog ich die Arme vors Gesicht und versuchte mich ihm zu entwinden, indem ich mich unter ihm auf die Seite drehte und die Beine anzog. Die ganze Nummer dauerte keine zwei Minuten, dann lies er von mir ab. Ich blutete aus Nase und Unterlippe, meine Rippen schmerzten und meine Klamotten waren voller Dreck und Pisse. Er stand immer noch breitbeinig über mir und drohte mit dem Zeigefinger. „Pack nie wieder meine Schwester an!“ Ich war baff. Das hätte er billiger haben können. Anruf hätte genügt. Oder ’ne Postkarte. SMS gab’s damals ja noch nicht. So kam es, dass von den vielen, vielen Typen, die bei Doris ran durften ausgerechnet der einzige, den sie mochte dafür was auf die Fresse bekommen hat. Da versteh’ mir einer die Frauen.
Und so kam es auch, dass ich bis heute auf öffentlichen Toiletten nicht im Stehen pinkeln kann. Muss mich immer einschließen. Parusesis nennt der Fachmann das. Na ja. Es gibt Schlimmeres.


Song meines Lebens von Pikas

Dienstag, 14. Februar 2006

Song meines Lebens - Competition

Fast jeder hat einen speziellen Song, mit dem ein bestimmtes, persönliches Erlebnis, wie z.B. die große Liebe, ein Urlaubsflirt oder auch ein trauriges Schicksal verbunden ist. Mit "Song meines Lebens" möchte ich eure Geschichte und persönliches Erlebnis veröffentlichen, die ihr mit eurem speziellen Song verbindet - was ist euch wann und wo zu welchem Song passiert? Hierbei geht es nicht um die Beschreibung des Songs, sondern die Geschichte darum soll hier erzählt werden. Die ergreifendste Geschichte soll am Ende per Voting gewählt werden.

Jeder, der mitmachen möchte, schickt mir seine Geschichte, unter Angabe des Titels und Interpreten (ggf. auch Ort und Datum der Geschichte) per E-Mail an meine Adresse. Diese findet Ihr in der Sidebar unter „Kontakt“. Bitte eure Blog-Adresse nicht vergessen mitzuteilen. Alle eingehenden Stories werden hier nach dem Einsendeschluss veröffentlicht. Der Sieger erhält einen Amazon-Gutschein im Wert von 15 EURO.

Um eine möglichst große Resonanz zu erhalten, bitte den obligatorischen Button auf euren Blog einbinden und hierher verlinken.

meinsong

Damit ihr genügend Zeit habt, in eurem Platten-/CD-Regal und Erinnerungen zu kramen, ist der Einsendeschluss der 31. März 2006. Im Anschluss findet die Abstimmung statt.

Bisher eingegangen von:

BATE|MAG

Status

Bösartig seit 7288 Tagen
Zuletzt am: 22. Aug, 20:23
Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizensiert

Search

Archiv

 




Online-Journalismus |Bateman's Blog |
ResBLogs™ | ReservoirBlog | ReservoirBlogs | Batey


Google Analytics Alternative Site Meter
copyright © 2004 - 2014 by res bateman
reservoir blogs made with twoday by knallgrau based on antville powered by helma